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Zuerst Basiswissen vermitteln! |
Hans-Dietrich
Zeuschner, 10.05
Kennlinien und Kennfelder definitiv KENNEN LERNEN
Insbesondere durch die Förderung der Fachkompetenz und der
Kommunikationskompetenz werden die Berufsschüler in die Lage versetzt, sich in
den vielfältigen beruflichen Situationen zu orientieren, sich zu entscheiden
sowie begründet zu urteilen, zweckmäßig zu handeln, und Fachgespräche zu führen.
Eine wesentliche Rolle spielen auf dem Kfz-Sektor graphische Darstellungen, die
auf der Basis von Versuchen oder/und Berechnungen
zustande gekommen sind. Bedauerlicher Weise werden im Unterricht
erfahrungsgemäß häufig idealisierte
Kennlinien und Kennfelder von Verbrennungsmotoren verwendet, ohne
den BS-Schülern hinreichend
Hintergrundwissen zu vermitteln. Mit
diesem Beitrag möchte ich die Lücke schließen.
Zum
Prinzip ANSCHAUUNG
In der Berufsschule spielt
ein altbekanntes Prinzip eine große Rolle:
Die
Anschauung. Sie „bezeichnet im
Allgemeinen den Vorgang des unmittelbar visuellen Erlebens der Dinge, sowie sein
Ergebnis, das Angeschaute.“ (Wikipedia)
Bei der Behandlung von Kennlinien und Kennfeldern von Verbrennungsmotoren im BS-Unterricht werden zwei Vorgehensweisen bevorzugt:
Idealisierte
Motorkennlinien und eine Anzahl Drehzahlen
werden vorgegeben, mit dem Arbeitsauftrag, die zugehörigen Werte durch Ablesen
zu finden, oder es wird umgekehrt verfahren: Zahlenkolonnen für die Drehzahlen
und die zugehörigen Parameter werden
vorgegeben, mit deren Hilfe die entsprechenden Kurven gezeichnet
werden sollen.
Was geschieht hier im Sinne der Anschauung?
Was erlebt ein Berufsschüler unmittelbar visuell in einem derartig gestalteten Unterricht und was ist das Ergebnis, das Angeschaute?
Das Ergebnis, das Angeschaute sind Kurven bzw. Schaubilder oder Zahlenkolonnen - und der Vorgang des unmittelbaren visuellen Erlebens ist die Umsetzung von Zahlen in graphische Darstellungen oder umgekehrt.
Unerwähnt bleibt bei dieser Vorgehensweise die Entstehungsgeschichte der Kurven, bleiben die Prüfstandsversuche selbst, obwohl sie an der ersten Stelle der Betrachtung stehen müssten, weil mit ihrer Hilfe erst die in diesem Zusammenhang benötigten Daten und Informationen gewonnen worden sind. Der Vorgang des unmittelbaren visuellen Erlebens müsste dort stattfinden.
Die didaktische Reduktion geht vielfach so weit, dass
die BS-Schüler keinerlei Begründung für den typischen Kurvenverlauf erhalten,
nicht mit Originalkurven sondern ausschließlich mit idealisierten gearbeitet wird,
der Hinweis, dass die Kennlinien i.d.R. erst bei ca. 700 1/min beginnen, fehlt, mit der Konsequenz, dass der Anlassvorgang ganz oder zum großen Teil vernachlässigt wird,
die drei üblicher Weise in den Fachbüchern abgedruckten Kennlinien lediglich für Fahren bei Vollgasstellung gelten und deshalb eher als die Ausnahme als die Regel anzusehen sind.
Erst der Versuch macht klug
…..
…. auf dem Prüfstand
Freundlicher Weise hat mir die Eidgenössische Forschungsanstalt für Agrarwirtschaft und Landtechnik CH-8356 Ettenhausen die nachstehenden Bilder von ihrem Prüfstand und die Beschreibung des Messablaufs zur Verfügung gestellt. Beides kann BS-Schülern des Sektors Kfz-Technik helfen, sich in die Problematik der Datenermittlung hinein zu denken.
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Aus einem ursprünglich zweiseitigen FAT-Testbericht habe ich die nachfolgend aufgeführten Informationen, die den Motor betreffen, quasi als Versuchsergebnis heraus gezogen.
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Angesichts der großen Bedeutung der Kennlinien für Verbrennungsmotoren in der Kfz-Technik bin ich der Meinung, dass im Unterricht grundsätzlich mit Originalmaterial von Herstellern oder Prüfinstituten gearbeitet werden soll. Lediglich zur Erklärung des Zustandekommens der Kurven selbst halte ich die Arbeit mit idealisierten Exemplaren für angebracht.
…. mit „Bordmitteln“
Leider hat nur eine geringe Anzahl BBS-Lehrkräfte die Möglichkeit bzw. das Glück, Drehmoment- und Verbrauchskurven auf schuleigenen „Leistungsprüfständen“ zu fahren und danach die Parameter Leistung und spez. Verbrauch zu berechnen. Überall dort, wo diese optimale Verfahrensweise nicht realisierbar ist, weil die erforderliche Hardware fehlt, empfehle ich, den BS-Schülern qualitative Erkenntnisse über das Abhängigkeitsverhältnis von Motordrehmoment und Motordrehzahl auf der Basis von Beobachtungen an einem Kraftfahrzeug während des Anfahrvorganges zu vermitteln. Das Lastmoment kann über die Feststellbremse und/oder durch die Gangwahl bestimmt werden.
Für das Begreifen der M-n-Kurve ist zunächst von außerordentlicher Wichtigkeit, das Verhalten von Verbrennungsmotoren vom Beginn des Anlassvorgangs an bis zum Erreichen der maximalen Leerlaufdrehzahl auf dem Drehzahlmesser zu verfolgen. Danach sollte ein Anfahrvorgang, ohne Veränderung der Gaspedalstellung durchgeführt werden. Hierdurch erkennen die Schüler,
dass die durch die M-n-Kurve dargestellte Abhängigkeit nicht wie sonst üblich vom Koordinatenkreuz her zu betrachten ist,
dass die Kennlinien lediglich für Vollgas gelten und
dass das Lastmoment den Betriebspunkt des Motors bestimmt.
Nicht nur die vorstehend beschriebene qualitative Versuchsreihe sondern auch eine quantitative kann mit Kraftfahrzeugen, die mit einem Drehzahlmesser und einem Bordcomputer ausgestattet sind, gefahren werden. Zur Übung im Sinne der Anschauung können für verschiedene Drehzahlen in einem bestimmten Gang bzw. für verschiedene Gänge bei gleicher Drehzahl Verbrauchskurven gefahren werden.
Zur
Entwicklung der Motorkennlinien im
Klassenzimmer
Die
vier charakteristischen Motor-Kennwerte
Drehmoment M in Nm
effektive
Leistung Pe in kW
stündlicher
Kraftstoffverbrauch B in kg/h
spezifischen Kraftstoffverbrauch be in g/kWh
sind
üblicher Weise in Abhängigkeit von der Drehzahl n in 1/min in einem einzigen
Kurvenblatt zu finden. Außerdem sind in Fachbüchern die senkrechten Maßstäbe
mit ihren Nulllinien in verschiedenen Höhen angeordnet und beginnen die
Diagramme erst mit Drehzahlen
über ca. 700 U/min.
Zur Steigerung der Übersichtlichkeit ist in meinem Arbeitsblatt „Entwicklung der Kennlinien / des Kennfeldes eines Verbrennungsmotors“ jedem Parameter ein besonderes Feld (a bis d) gewidmet worden und beginnen die ersten vier Darstellungen mit n = 0 und M = 0.
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Die
Basis: Die Drehmoment-Drehzahl-Kennlinie
Der Anlassvorgang beginnt mit der Drehzahl n = 0, das Antriebsmoment ist negativ, weil der Anlasser ein Drehmoment an den Verbrennungsmotor abgibt. Bei Erreichen der Anlassdrehzahl na, springt der Motor an, (Punkt A), ist jedoch noch instabil und kann kein Drehmoment aufnehmen. Hatte der Anlassvorgang Erfolg, dann erreicht der Motor aus eigener Kraft die kleinste Leerlaufdrehzahl nlk , bei der der Motor mit Sicherheit weiterläuft, jedoch noch kein Arbeitsmoment abgeben kann, (Punkt Lk.). Da der Regler die Kraftstoffzufuhr steigert, erhöht sich die Drehzahl weiter, bis die untere Leerlaufdrehzahl nlu (Punkt Lu) erreicht ist. In dem hier beginnenden unteren Regelbereich kann man dem Motor bei voller Einspritzung bereits das „Vollastdrehmoment bei unterer Drehzahl“ (Punkt Vu) abverlangen. Ist das Arbeitsmoment kleiner, dient der Überschuss des Antriebsmoments zum Beschleunigen der Drehzahl entsprechend der nur vom Motor (nicht vom Regler) abhängigen Vollastlinie Vu—K—V0 .
Bei Erhöhen der Drehzahl über nV0 hinaus reduziert der Regler im oberen Regelbereich die Kraftstoffzufuhr. Das Antriebsmoment fällt entsprechend der Reglerkennlinie, die sich zwischen den Punkten V0 und L0 erstreckt. Eine höhere Drehzahl als nL0 kann der mit einem Regler versehene Motor nicht erreichen. Die gesamte in diesem Punkte zugeführte Kraftstoffmenge wird ausschließlich dazu verbraucht, den Motor mit der Höchstdrehzahl laufen zu lassen, ohne dass dabei ein Drehmoment abgegeben wird. Wird z.B. ein Antriebsmoment von der Größe MB (Betriebspunkt B), aufgegeben, so sinkt die Drehzahl auf nb, wobei der Regler dem Motor gerade so viel Kraftstoff zukommen lässt, wie für diesen Betriebszustand erforderlich ist.
Im Punkt P auf der Reglerkennlinie gibt der Motor die vom Hersteller garantierte Nennleistung Pp ab. Sie ist etwas geringer als die tatsächlich erreichbare Vollastleistung bei neuen Motoren. Hierdurch soll, wie man liest, gewährleistet werden, dass die vom Hersteller veröffentlichten Leistungsdaten des Motors bis zu einem gewissen Grade eine Zeit lang Gültigkeit behalten. Der Bereich der Antriebsmomente zwischen P und V0, ggf. bis K wird gelegentlich als Überlastbarkeit bezeichnet.
Berechnet,
die Leistung-Drehzahl-Kennlinie
Diese Linie ergibt
aus der Multiplikation der einander entsprechenden Zahlenwerte aus der
M-n-Kennlinie.
Pe
= M . n / 9550
Der
Höchstpunkt V0 liegt etwa 10 bis 15% über der Nennleistung (Punkt
P), danach sinkt bei sinkender
Drehzahl die Leistung auf ca. 30% der Nennleistung (Punkt Vu).
Die Herkunft der Konstanten
9550 >
Die Leistung wird in kW eingesetzt,
1kW entspricht 1000 W,
1W entspricht 1Nm / s >
Der Kreisumfang U ist der für die Leistung maßgebliche
Weg während einer Umdrehung. >
Die Drehzahl wird in 1 / min eingesetzt, relevant ist die Drehzahl
1 / s, deshalb muss die
Drehzahl n durch
60 geteilt werden. Ausgangsformel
:
9550 x
P
M x
n
M
= ---------------------
9550 =
---------------
n
P
F x r
t
9550
= --------------
x
----------------
t
F x
2r π Gleichung
der Einheiten :
N x
m
x 60
1000 s
9550
= --------------------
x
-------------------
s
N
x 2π m Ergebnis
:
60
x
1000
9550
= -----------------------
2
x
3,1415 |
Ermittelt,
die Kennlinie des absoluten (stündlichen)
Kraftstoffverbrauchs
Die Zahlenwerte werden durch Messungen auf dem Motorprüfstand gewonnen. Das Maximum liegt bei V0, das Minimum bei L0 , hier liegt die Höchstdrehzahl ohne Lastmoment. Von V0 bis Vu sinkt der Kraftstoffverbrauch analog zum Leistungsabfall.
Berechnet,
die Kennlinie des spezifischen Kraftstoffverbrauchs
Der Verlauf der be-n-Linie gibt die je abgegebene kW-Stunde verbrauchte Kraftstoffmenge in Gramm an. Den spezifischen Kraftstoffverbrauch erhält man durch Division der absoluten (tatsächlich verbrauchten) Kraftstoffmenge B durch die dabei abgegebene Nutzleistung des Motors.
be = 1000 . B / Pe
Der geringste spezifische Kraftstoffverbrauch liegt bei den meisten Motoren etwa in der Nähe des Punktes K. Er steigt bis zum Punkt Vu wieder an. In entgegengesetzter Richtung geht der spezifische Kraftstoffverbrauch bei laufendem Motor im Punkt Lo gegen unendlich, weil die Nutzleistung gleich Null ist.
Von
den Kennlinien zum Kennfeld
Wie bereits erwähnt, gelten die vorstehend dargestellten Kennlinien von Verbrennungsmotoren lediglich bei durchgetretenem Gaspedal, einem Betriebszustand, der bei PKW relativ selten, bei LKW und Ackerschleppern etwas öfter anzutreffen ist. Logischer Weise liegen alle übrigen Betriebszustände in dem Feld zwischen der Drehzahlachse und einer für Vollgas geltenden Grenzkurve. Auf der Ordinatenachse kann entweder das Drehmoment oder der effektive mittlere Druck in N/cm2 (ehemals in kg /cm2, vgl. Bild 7-3) aufgetragen werden, denn nach der Formel
pe
= MA . C / VH
stehen pe und MA in einem proportionalen Verhältnis zueinander, sie unterscheiden sich lediglich durch einen konstanten Faktor C und den Divisor VH (Hubraum).
Die Hyperbeln sind Linien gleicher Motorleistung. Sie können als prozentualer Anteil der Nennleistung betrachtet werden Die einzelnen Punkte sind durch die Multiplikation von n - und pe- bzw. MA -Zahlenwerten berechnet worden.
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Originalmaterial im Unterricht verwenden! Das hatte ich eingangs eingefordert.
Deshalb
lasse ich im weiteren Verlauf die
Testspezialisten sprechen.
Eine ausgezeichnete Erklärung des Kennfeldes eines Dieselmotors habe ich in dem FAT-Bericht Nr. 552, verfasst von Erwin Stadler und Isidor Schiess, gefunden. Darüber hinaus werden (ganz aktuell !!) wertvolle Hinweise zur Senkung des Kraftstoffverbrauchs gegeben. Dieselmotor bleibt Dieselmotor, deshalb gelten die Testergebnisse sowie die Erklärungen, Empfehlungen zum Kraftstoffsparen in den nachstehenden Auszügen aus dem FAT-Bericht nicht nur für Motore in Ackerschleppern sondern ebenfalls in PKW und in LKW.
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Verwendete Literatur:
Hrg.: Heyde, H. u.a. : Landmaschinenlehre, Berlin, 1965 Hrg.: Eidgenössische Forschungsanstalt für Agrarwirtschaft und Landtechnik CH-8356 Ettenhausen: Auszüge aus div. FAT-Testberichten,
Hans-Dietrich Zeuschner
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Der Fachbeitrag wurde weder gekürzt noch inhaltlich verändert.
Wiesinger
19.02.2015