zu Teil 2 der Achsvermessung
...das Fahrwerk ändern, das Fahrwerk tunen...
Ein
fiktiver Kfz-Azubi im 3. Ausbildungsjahr, wir nennen ihn Jonas, möchte
seinen Golf tieferlegen und Breitreifen montieren. Wie er sagt: „ein
härteres Fahrwerk einbauen“. Sein Geselle rät ihm darauf hin auch zu einer
Achsvermessung.
Wenn Jonas vom Fahrwerk
spricht, denkt er dabei an andere kürzere und sportlicher ausgelegte
Federn.
Einige Grundlagen
Das Gesamtsystem Fahrwerk besteht allerdings aus den
Radaufhängungen, Achsen und der Bereifung. Das
Fahrwerk stellt die Verbindung des Fahrzeuges zur Straße dar. Sowohl Kraft
als auch Antriebsmoment werden über das Fahrwerk auf die Straße übertragen.
Ebenso müssen alle Seitenführungskräfte bei Kurvenfahrten über das Fahrwerk
aufgenommen werden. |
Eine moderne Achse besitzt viele Radführungselemente
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Das Fahrwerk ist also einer enormen Anzahl von
unterschiedlich wirkenden Kräften und Momenten ausgesetzt. Es muss sicher
gestellt sein, das über die Reifenaufstandsflächen all diese Kräfte und Momente
optimal übertragen werden können. Zunehmende Leistung der Fahrzeuge und der
gestiegene Anspruch an das Design, den Fahrkomfort wie auch an die
Fahrsicherheit führen zu einem deutlichen Anstieg der Anforderungen an moderne
Fahrwerke.
Radstellungsgrößen
Die Eigenschaften eines Fahrwerkes werden durch
die Radstellungen realisiert. Die Radstellung beschreibt die
geometrische Lage des Rades zur Karosserie und zur Fahrbahn. Diese
Lage wird durch unterschiedliche geometrische Größen ermittelt. Ein
Teil dieser Größen kann im Verlauf der Achsvermessung direkt
ermittelt werden. Andere ergeben sich durch die kinematischen
Zusammenhänge bei Lenkbewegungen. Die Radstellung ist von
maßgebender Bedeutung für den einwandfreien Geradeauslauf, für eine
gute Haftung der Reifen bei Kurvenfahrt und für den Reifenverschleiß
Die
Radstellung wird bestimmt durch:
-
Radstand
-
Spurweite
-
Spur
-
Sturz
-
Spreizung
-
Nachlauf
-
Lenkrollhalbmesser
-
Spurdifferenzwinkel
Wann Achsvermessung?
Wenn Jonas also seinen Golf tieferlegt, dann verändert er
auch seine Radstellungen und somit die Eigenschaften seines Fahrzeugs. Deshalb
riet ihm sein Geselle wohl auch zur Achsvermessung (Anmerkung: Was sich alles
verändern kann, können Sie im Kasten unten
nachlesen). Es gibt natürlich noch weitere Gründe, die eine Achsvermessung
sinnvoll erscheinen lassen. Wenn beim Räderwechsel in der Werkstatt übermäßig
einseitiger Reifenverschleiß festgestellt wird, sollte ebenfalls die Ursache
lokalisiert werden und die Achsvermessung durchgeführt werden.
Häufig sind polternde Geräusche, schlechter Geradesauslauf, schwammiges
Lenkverhalten oder ein schief stehendes Lenkrad ein Hinweis darauf, dass Defekte
in der Radaufhängung vorhanden sind. Spätestens nach der Reparatur von
Spurstangen, Gelenken, Federn oder Gummilagern ist dann auch eine Überprüfung
der Radstellungsgrößen erforderlich und sinnvoll. Selbstverständlich eignet sich
die Achsvermessung als Vorabdiagnose bei kleinen Unfällen. Bei Fahrzeugen, die
mit Abstandsregelsystem nachgerüstet werden (ACC) ist ebenfalls eine
Achsvermessung erforderlich. Die einwandfreie Justierung des Radarsensors
(Genauigkeit <1°) ist Voraussetzung für eine gute Systemfunktion. Hier hätten
kleine Ursachen eine große Wirkung in der Messgenauigkeit. Eine horizontale
Dejustierung führt zu einer falschen Reaktion des Systems auf Fahrzeuge in der
Nebenspur und zu einer späten Reaktion auf Fahrzeuge in der eigenen Spur.
Moderne Achsmesssysteme
Am ersten Automobil der Welt von Carl
Benz gab es noch nichts zu vermessen. Bei späteren, vierrädrigen Fahrzeugen mit
starrer Vorderachse reichte eine mechanische Längenmessung zur Spureinstellung.
Danach war für lange Zeit die optische Vermessung über Spiegel und/oder
Lichtquellen mit vorgeschalteten Linsen und Markierungssystemen das ausreichend.
Mit dem Einsatz neuer hoch entwickelter Mehrlenkerachsen bei
modernen Fahrzeugen jedoch, sind herkömmliche Achsmessgeräte für die
Fahrwerkvermessung nicht mehr geeignet. Dies betrifft besonders die
Messgenauigkeit. Die aktuelle Gerätegeneration erfüllt alle Anforderungen, die
an ein modernes Achsmessgerät gestellt werden, inklusive der Verwendung neuester
Computer-Technologie. Sie stellt damit eine zukunftssichere Investition im
Werkstattbetrieb dar und hilft, die Werkstattqualität auch auf dem Gebiet der
Fahrwerksvermessung weiter zu erhöhen.
Analog zu den bisherigen Geräten sind auch die modernen
Achsmessgeräte nicht an bestimmte Arbeitsplätze gebunden, sondern universell in
Verbindung mit Achsmessgruben, 4-Säulen-Hebebühnen oder Reparaturständen
einsetzbar. Dass durch die integrierten Datenbänke auch der Komfort gestiegen
ist, ist natürlich ein schöner Nebeneffekt.
Die folgende Geräteauswahl verdeutlicht auch eine gewisse
technische Vielfalt an Achsmessgeräten.
- Kameras am Messtand mit Messreflektoren am Rad
- Kamera mit CCD-Messtechnik am Rad - mit
Infrarotlichtstrahl
- Lasersysteme am Rad
- Mit Kabel oder Kabellos mit Bluetooth
-
Funkgesteuerte Höhenmessung
Prinzipieller Aufbau Achsmesscomputer
Die Achsvermessung, die unser Jonas erstmals selbständig durchführen
darf, wird am Beispiel eines Laserachsmesscomputers von Hofmann
(laserliner 440) beschrieben, der bei Jonas in der Werkstatt steht.
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Prinzipiell sind diese Geräte folgendermaßen aufgebaut:
An jedem Rad werden großvolumige Sensoren befestigt und mit dem Test-Computer
verbunden. Untereinander verständigen sich diese durch Kabelverbindungen und
gebündelte Laserstrahlen. So können alle relevanten Achsmessdaten erfasst und
gleichzeitig mit den Sollwerten verglichen werden. Es werden also von Jonas
nicht mehr Istwerte abgelesen und mit Sollwerten auf Papier verglichen, wie es
sein Meister noch gelernt hatte, sondern der Computer führt diesen Soll- und
Istwertvergleich für Jonas durch und gibt ihm auf seinem Farbdisplay ein meist
mit Hilfe grafischer Baken und Farbe unterstütztes „Gut“ oder „Schlecht“ aus.
Die Achsvermessung ist mit modernen Testern relativ schnell durchzuführen.
Bei modernen Fahrwerken gibt es allerdings immer weniger Einstellmöglichkeiten.
Wenn die gemessenen Werte zu stark abweichen, müssen Teile der Radaufhängung
ausgetauscht werden.
Was sollte ein modernes Achsmesssystem prüfen können?
Als Beispiel soll der Achsmesscomputer, "microline 5000",
der von der Firma Beissbarth unter den Typenbezeichnungen ML5001 für Mercedes
Benz, VAS6141 für Volkswagen , ML5000 Porsche und für weiter Automobilhersteller
gefertigt wird, dienen.
Vorderachse
- Spur (Einzel- und Gesamtspur, bezogen auf die geometrische
Fahrachse),
- Sturz (bei Fahrt geradeaus oder Spur Null),
- Radversatz, bezogen auf das linke Vorderrad,
- Nachlauf, Spreizung und Spurdifferenzwinkel (gemeinsam
ermittelt in einer Einschlagroutine).
Hinterachse
- Spur (Einzel- und Gesamtspur, bezogen auf die
Fahrzeug-Längsmittelebene, früher Symmetrieachse genannt),
- Fahrachswinkel,
- Sturz
Solche
Achsmesscomputer sind außerdem in der Lage zusätzliche Messwerte zu erfassen,
die bei leichten Unfallschäden eine Vorabdiagnose über eventuell erforderliche
Richtarbeiten erlauben. Diese Messwerte sind:
-
Radversatz hinten,
-
Radstandsdifferenz,
-
Seitenversatz rechts,
-
Seitenversatz links,
-
Spurweitendifferenz,
-
Achsversatz.
Diese zusätzlichen Messwerte werden als Winkel erfasst; nach Eingabe der
fahrzeugspezifischen Werte für Spurweite und Radstand ist auch die Anzeige in mm
möglich.
Voraussetzungen Messplatz
Ein Achsmessplatz muss bestimmten Anforderungen genügen,
damit eine präzise Fahrwerksvermessung und -einstellung mit entsprechender
Reproduzierbarkeit sichergestellt ist.
So ist es sehr wichtig, dass die
Radauflagepunkte (Drehuntersätze, Schiebeuntersätze)
des Fahrzeugs zueinander höhengleich liegen. Die Messgenauigkeit
bei den modernen Geräten liegt heute bei 1´ bis 2´ z.B. bei Sturz und
Spur, unter Verwendung der Präzisions-Dreh- und Schiebeuntersätze sowie
den typenspezifischen Schnellspannhaltern.
Diese Genauigkeit lässt sich allerdings nur durch
einen absolut ebenen Messplatz erreichen. Die Höhengleichheit der
Radauflagepunkte wird mit einem optischen Nivelliergerät geprüft. Die
zulässigen Höhenabweichungen dürfen zwischen
links und rechts max.1 mm, zwischen vorne und hinten sowie diagonal max. 2
mm betragen.
Für die hochpräzise Fahrwerksvermessung an modernsten
Mehrlenker-Vorderachsen, wie z.B. ab BMW E36 oder Audi A8, ist sogar nur
die Hälfte der oben angeführten Höhenunterschiede zulässig!
Falls erforderlich, ist die Höhenabweichung durch
Unterlegen der Drehuntersätze evtl. zu korrigieren. In Verbindung mit
einer Messhebebühne muss unbedingt auf gleiches Niveau der Mess- und
Arbeitshöhe geachtet werden. |
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Bei Achsmess-Hebebühnen ist zusätzlich zu beachten, dass die
max. zulässigen Höhenunterschiede in abgesenkter Position (für die Eingangs- und
Ausgangsvermessung) und auch in der angehobenen Arbeitsposition (für die
Einstellarbeiten) sichergestellt sein müssen. Unabhängig vom Bühnen- oder
Grubenmessplatz müssen die Dreh- und Schiebeuntersätze durch Steckstifte oder in
Haltemulden verankert werden, damit ein Wegrutschen beim Auf- oder Abfahren
sicher vermieden werden kann.
Bei der Fahrwerksvermessung sollten die Vorder- und
Hinterräder möglichst mittig auf den Dreh- und Schiebeuntersätzen stehen,
damit alle Radaufhängungen während der Einschlagroutinen und
Einstellarbeiten frei von Verspannungen bleiben. Daraus ergibt sich die
Notwendigkeit, dass die Dreh- und Schiebeuntersätze für die jeweiligen
Radstände und Spurweiten des zu vermessenden Fahrzeugs umgesetzt werden
müssen.
Die Methode, dass Fahrzeug anzuheben und dann die
Untersätze unterzulegen, ist nicht zu empfehlen. Moderne Fahrwerke weisen
nämlich viele elastische Lagerstellen auf. Würde man das Fahrzeug anheben,
so müsste es erst wieder 15 - 20 Minuten gefahren werden. |
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Einflüsse durch
Tieferlegung und Breitreifen
Durch die tiefer liegende Karosserie verändert sich
der Lenkrollhalbmesser. Dies bringt negative Eigenschaften für das
Fahrverhalten mit sich. Die Veränderung geht zu Lasten des negativen
Lenkrollhalbmessers. Ein positiver Halbmesser hat bei einseitig ziehenden
Bremsen ein starkes einseitiges Ziehen des Fahrzeuges zur Folge.
Durch die veränderte Federbeinlage ändert sich auch
der Spreizungswinkel, er vergrößert sich und beeinflusst somit den
Lenkrollhalbmesser ins Positive, was sich wiederum auf das
Bremsverhalten auswirkt. Außerdem wird die Radlast erhöht, was sich
verschleißfördernd auf das Radlager auswirkt.
Durch das Fahrwerk ändert sich der Sturz
ins Negative. Dieser beeinflusst wiederum den Lenkrollhalbmesser und wirkt
sich wie oben beschrieben auf das Bremsverhalten aus.
Außerdem ergibt sich hieraus auch eine
Spurveränderung, die die bekannten Auswirkungen auf Reifenverschleiß,
auf einseitiges Ziehen des Fahrzeugs, auf ein schnelleres Einlenken bei
Vorspur und einen schlechteren Geradeauslauf bei Nachspur mit sich bringen
können.
Durch den Fahrwerkseinbau wird der Radstand
verändert. Dies begünstigt den Fahrkomfort bei einem langen Radstand. Ein
größerer Radstand verringert die Nickbewegungen des Fahrzeugs und das
Aufschaukeln bei Fahrbahnunebenheiten.
Der
Nachlauf ändert sich ins Positive nach dem Einbau. Dies hat einen
positiven Effekt auf die Rückstellkräfte des Fahrzeugs, es wird auf der
kurvenäußeren Seite mehr angehoben. Der Sturz wird auf der kurvenäußeren
Seite negativer, was die Abstützkräfte erhöht.
Durch die breiteren Reifen ergibt sich eine bessere
Traktion beim Anfahren und eine höhere Kurvensicherheit, welche durch
das härtere Fahrwerk allerdings wieder aufgehoben wird.
Zusammengefasst lässt sich also feststellen, dass beim
Einbau eines Tieferlegungsfahrwerkes alle Radstellungsgrößen beeinflusst
werden: Spur, Sturz, Spreizung, Nachlauf, Lenkrollhalbmesser
Durch den Einbau härterer Federn ist mit erheblichen
Nachteilen für das Fahrverhalten für Jonas zu rechnen. Das Problem ist,
dass bei den meisten Fahrzeugen nicht alle Parameter der Achse einstellbar
sind. Dadurch würden durch diese baulichen Veränderungen Fehlstellungen
eingebaut werden, die nicht mehr korrigierbar sind.
Ein härteres Fahrwerk hat einen erheblichen negativen
Einfluss auf das Fahrverhalten und auf die Bodenhaftung im Allgemeinen.
Daraus ergibt sich ein schlechterer Grip bei Kurvenfahrt, bei
Fahrbahnunebenheiten, beim Anfahren Traktionsverluste und bei Regen
erhöhte Aquaplaning Gefahr.
Was sollte der Meister Jonas vor dem Kauf von
Fahrwerken raten?
Jonas ist in jedem Fall von einem Billigfahrwerk
abzuraten. Veränderungen am Fahrwerk sind nur sinnvoll
mit vom Hersteller freigegebenen Fahrwerken. Rein
optische Veränderungen haben deutliche Nachteile im
Fahrverhalten.
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geändert:
Dieser Bericht wurde auch im Technikprofi, dem Extraheft von Auto, motor und
sport veröffentlicht.
Autor: Johannes Wiesinger
bearbeitet:
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