Lernfeld 6 - Alternative Antriebe
Ein Rennwagen, der nur mit Wasserstoff (H2)
läuft!
Bei
einem Wasserstoffmotor wird ein herkömmlicher Verbrennungsmotor mit Wasserstoff
als Kraftstoff betrieben. Grundlage dafür ist die Knallgasreaktion bei der zwei
Teile Wasserstoff mit einem Teil Sauerstoff reagieren. Das Viertakt-Otto-Prinzip
bleibt wie in konventionellen Ottomotoren bestehen.
Um
nur zwei Beispiele zu nennen: Verbrennungsmotoren mit Wasserstoff zu
betreiben wird bekanntermaßen seit zehn Jahren bei BMW im Feldversuch mit
seinen Hydrogen7-Prototypen praktiziert. Bereits 1991 entwickelte Mazda mit
dem HRX-1 ein mit einem Wasserstoffwankelmotor angetriebenes Versuchsauto.
Mazda testete aktuell 2009 mehrere RX-8 Hydrogen RE in Norwegen beim
dortigen
HyNor-Projekt
um die Wirksamkeit des Knallgases als Treibmittel auch für den Wankelmotor
zu belegen. (Anm.: HyNor ist ein Gemeinschaftsprojekt zum Aufbau einer
Wasserstoff-Infrastruktur in Norwegen).
Außergewöhnlich mag vielleicht auch die Idee erscheinen, H2
im Rennsport zu etablieren. Doch was ungewöhnlich klingt, wird manchmal umso
schneller umgesetzt.
Prof. Dr.-Ing.
Jörg Wellnitz mit einem Teil, der Studenten, die das Projekt Formula H Racer
verwirklichten.
Komplette Neuentwicklung in 18 Monaten
Studenten der Hochschule für angewandte
Wissenschaften Ingolstadt haben in
einem gemeinsamen Projekt mit Studenten des australischen Royal Melbourne
Institute of Technology (RMIT) einen Fahrzeug namens "Formula H" innerhalb
von nur 18 Monaten auf die Räder gestellt. Bei Formula H (H steht hierbei
für Hydrogen, also Wasserstoff) handelt es sich um einen mit Wasserstoff
angetriebenen Rennwagen. Ziel war es
nicht ein möglichst perfektes und ausgereiftes Fahrzeug auf die Rennstrecke
zu bringen, sondern zu zeigen, dass es prinzipiell relativ einfach ist den
Wasserstoffantrieb straßentauglich zu machen. Schwerpunkt der
Projektarbeiten für die Ingolstädter war der Antriebsmotor und die
Kraftübertragung, die Studenten aus „Down Under“ kümmerten sich dafür mehr
um Rahmen und Karosserie. Und: Der Formula H läuft. Federführung in
Deutschland hatte Prof. Dr.Ing. Jörg Wellnitz, sein australischer Pendant
war Prof. Dr. Aleksandar Subic.
Technik im Überblick
Das
Design erinnert ein wenig an einen Le-Mans-Rennwagen. Guckt man jedoch unter
die Kohlefaserverkleidung des 500 kg leichten Renners findet man hinter dem
Fahrersitz aber keinen V8 oder ähnliches vor, sondern blickt auf ein eher
bescheidenes Zweizylinder-Aggregat. Der 0,8 Liter Motor stammt aus einem BMW
F 800 S Motorrad, wo er 85 PS leistet. Für die Umrüstung auf
Wasserstoff-Betrieb musste an der Motormechanik gar nicht so viel verändert
werden. Eine Besonderheit ist die kryogene Kühlung, die mit Hilfe einer
Flüssig-CO2-Flasche,
Ventil und Ladeluftkühler die Motorwärme an den Luftkanal abführt.
Der Motor wurde dem
BMW F 800 S
Motorrad entnommen und etwas modifiziert.
Beschleunigt
wird der Formula H via druckluftbetätigtem Sechsgang-Schaltgetriebe
vom BMW-Motorrad. Über einen so genannten Air Shifter, eine pneumatisch
sequenzielle Schaltbetätigung, lassen sich die Gänge auch per Schaltpaddles
am Lenkrad einlegen. Die Druckluftbetätigung und das
Differenzial sind selbst gebaut.
Da
Wasserstoff gegenüber Benzin volumenbezogen einen geringeren Heizwert hat,
sinkt auch die Leistung des Formula-H-Motors gegenüber dem Benziner-Pendant
auf ungefähr 50 PS. Die Maschinenbaustudenten aus Ingolstadt kompensierten
dies teilweise durch Einsatz eines Kompressors, so dass am Ende ca. 60 PS
zur Verfügung stehen. Der Wirkungsgrad ist mit bis zu 45% aber besser ist
als bei Benzinmotoren, die bis zu 25% effizient sind. Dies kommt dadurch
zustande, dass der Verbrennungsprozess im Wasserstoffmotor aufgrund der
hohen Brenngeschwindigkeit des Wasserstoff-Luft-Gemisches dem
thermodynamisch günstigen Gleichraumprozess näher kommt als ein Benzinmotor.
Druckgasspeicherung
Ein
großes Problem bei wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen ist die Lagerung des
Treibstoffes. Wasserstoff als Gas ist extrem flüchtig und hat nur eine sehr
geringe Dichte. Um Wasserstoff an Bord eines Fahrzeugs speichern zu können
ist es jedoch notwendig, eine hohe Energiedichte auf möglichst kleinem Raum
zu erzielen um eine geeignete Reichweite des Fahrzeugs zu erreichen.
Bei
diesem Projekt wurden auf die technisch aufwendigen Flüssigwasserstoff- oder
Metallhydridspeicherungen zugunsten der Druckgaswasserstoff-Speicherung
verzichtet. Diese Art der Speicherung ist für ein Leichtbaufahrzeug
sinnvoller und erfordert den geringeren Aufwand. Die Tankkapazität ist für
ein Rennfahrzeug allerdings beschränkt. Der Tank des Formula H fasst ca. 1kg
gasförmigen Wasserstoff. Das reaktionsfreudige Molekül H2
wird dabei in dem mit Kohlefaser (CF/EP) ummantelten zylindrischen
Aluminium-Druckgasbehälter auf bis zu 250 bar unter Druck gesetzt.
Für den Versuch wurde ein 15 l Tank mit 1 kg Wasserstoff
verwendet.
Druckregelung
Der
Gasdruck muss dann erst noch für die Gemischbildung durch einen Regler auf
etwa 5 bar herunter geregelt (im Bild hinter dem Tank) und
gekühlt werden, um ausreichend Gas für die Verbrennung zur Verfügung zu
haben. Aus Kostengründen musste aber auf einen elektronischen automatischen
Druckregler verzichtet werden. Das hatte zur Folge, dass der manuelle
Druckregler bei sinkendem Tankfüllstand von Hand nachjustiert werden musste.
Den optimalen Druck des Wasserstoff-Gases für die Verbrennung musste
das Team auch erst herausfinden.
Zündung
Im
Vergleich zu konventionellem Benzin ist Wasserstoff leichter entzündlich und
benötigt auch eine geringere Zündungsenergie. Die Flamme einer
Wasserstoffverbrennung breitet sich mit etwa 2,65 m/sec viel schneller als
eine Benzinflamme mit 0,4 m/sec aus. Die Entwickler aus Ingolstadt
verbauten
kältere Zündkerzen, die nicht nachglühen und so ein eventuelles Klopfen
verhindert wird. Das Steuergerät erkennt Zündaussetzer, Probleme mit
Rückzündung oder Frühzündung waren laut Professor Wellnitz nicht gravierend
aufgetreten. Um schädliche Rückzündungen zu vermeiden wurde außerdem außen
eine Kurbelgehäuseentlüftung angebaut. Ein Kolbenring musste allerdings
bereits einmal dran glauben, weil am Feuersteg des Kolbens angesammelter
Wasserstoff plötzlich schlagartig verbrannte und dieser durch die
unkontrollierte Knallgasreaktion brach.
Die Kurbelgehäuseentlüftung soll Rückzündungen verhindern.
Im folgenden kurzen Video-Schnipsel wird der
Weltrekordversuch für das Guinnes Buch der Rekorde gezeigt.
Formula H Rekordfahrt von
kfztechde
Die Gemischbildung
Der
Schwerpunkt der Anpassungsarbeit lag besonders bei der Gemischbildung. Die
Einblasventile der modifizierten Saugrohreinspritzung wurden vom in
Kleinserie hergestellten BMW 7er mit Zwölfzylinder-Wasserstoffmotor
übernommen. Die Gemischbildung ist neben der Gasdruckregelung momentan noch
die größte Herausforderung für das Studententeam um Professor Dr.-Ing. Jörg
Wellnitz. Schließlich musste das Motor-Steuergerät von MoTeC für alle Last-
und Drehzahlbereiche ja erst noch programmiert werden, denn Werte auf die
man zurückgreifen kann, gab es bei diesem H2-Prototypen
ja noch keine.
Screenshot von der Motec Software
Den Studenten
stellte sich also die Aufgabe unter anderem herauszufinden, welcher
Lambdawert bei welcher Last und welcher Drehzahl am geeignetsten ist, die
explosionsartige Knallgasverbrennung zu bändigen, um einen stabilen
Motorlauf gerade bei Drehzahlen zwischen 4000 und 6000 1/min zu
gewährleisten. Um optimale Kennfelder zu erstellen, fehlte es aber leider an
genügend Zeit und Möglichkeiten für Testfahrten auf dem Leistungsprüfstand.
Anpassung des Kennfelds auf dem Leistungsprüfstand
Es wurde ein Leistungsprüfstand mit
aktiver Verlustleistung der Fa. AHS bei der
Regens-Wagner-Berufsschule in Schrobenhausen
verwendet.
Beim
Guiness
Speed Trial
Rekordversuch am 09. Februar wurde eine Höchstgeschwindigkeit von 133 km/h
erreicht. Keiner kann momentan genau sagen, wie viel Potenzial bei weiterer
Optimierung des Motormanagements noch drin wäre Die Teilnahme an einem
richtigen Rennen ist zumindest bei diesem Modell momentan nicht geplant.
Vorgestellt wurde der Formula H übrigens bereits 2009 auf der IAA.
Anschließend begab er sich auf eine Road Show durch Australien. Neben der
Guinessfahrt ist der Formula Bestandteil der Icsat 2010, einer Automobil
Konferenz für nachhaltige Technologien.
Auf der Startbahn des Flughafens Manching wurde die
Rekordfahrt bei eisigen Temperaturen durchgeführt.
Verbrauch und Abgas
Der
Verbrauch des Boliden liegt bei 1 kg Wasserstoff in 60 Minuten bei einer
Konstantfahrt von 90 km/h. Dabei bläst der Formula H prinzipbedingt nur
Wasser und ein kleines bisschen Stickoxide zu seinem Auspuff hinaus. Da in
dem Motor der Wasserstoff mit der Umgebungsluft verbrannt wird, reagieren
Wasserstoff und Sauerstoff im Verhältnis 2:1 zu umweltneutralem Wasserdampf,
der wieder in den natürlichen Wasserkreislauf zurückgeführt wird. Dagegen
entweicht das beim Einsatz von Benzin- oder Dieselmotoren als Abfallstoff
emittierte CO2
in die Atmosphäre.
Da
Wasserstoff eine sehr geringe Dichte hat, verdrängt er bei der
Saugrohr-Einblasung viel Luft. Folglich kommt weniger Luft in den Brennraum,
der Liefergrad wird schlechter. Zu Sauerstoffmangel kommt es aber dadurch
trotzdem nicht, da man meist etwas im Magerbereich fährt. Bei hohen
Verbrennungstemperaturen steigt der Stickoxidanteil, weil dann die
Luftbestandteile Stickstoff und Sauerstoff miteinander reagieren. Die
Stickoxidanteile
liegen aber ca. um die Hälfte unter denen eines
Ottomotors mit Katalysator. Feinstaub entsteht erst gar nicht. Der
Schmierölverbrauch verursacht vernachlässigbar auch noch Spuren von
Kohlendioxid, Kohlenstoffmonoxid und Kohlenwasserstoffen.
Dem Boliden reicht
ein
herkömmlicher
Dreiwege-Katalysator und eine Lambdasonde, damit fast reiner Wasserdampf den
Auspuff verlässt.
Fazit und Ausblick
Die
jungen Entwickler um die Professoren Wellnitz und Subic haben ein tolles
Projekt auf die Beine gestellt, das wegweisend für Alternative Antriebe und
Kraftstoffe sein könnte. Mit ihrem engagierten Einsatz wurde ein schmuckes
Rennfahrzeug in kürzester Zeit auf die Beine gestellt, das praktisch keine
Emissionen hat und als Basis einen herkömmlichen Verbrennungsmotor aufweist.
Wenn der Formaula H Racer sicherlich so schnell in keinem richtigen Rennen
auftreten wird, so kann jedoch festgestellt werden, dass von den Herstellern
im Prinzip gar nicht so viel Aufwand wie beim BMW 12 Zylinder betrieben
werden müsste, um ein straßentaugliches Wasserstofffahrzeug auf die Straßen
zu bringen.
Und ist
inzwischen es offiziell: Das
nächste Projekt der Ingolstädter Hochschule wird eine 2 Liter H2-Version werden,
die sich mit einem Audi TT im Renntrimm und dem Profi Rennfahrer Jörg van Ommen
auch an richtigen Rennen mit anderen Alternativen Antrieben messen möchte.
Der TT Motor von Jörg Ommen wird für das nächste Projekt
umgebaut werden.
Dass
Wasserstoff derzeit häufig auf nicht gerade Ressourcen schonende Weise aus
Erdgas gewonnen wird, sollte für Politik und Industrie ein Ansporn sein,
vielleicht doch künftig für eine Wasserstoffproduktion durch Elektrolyse aus
Wasser mit regenerativen Energien zu sorgen und den derzeitigen Weg in eine
batteriebetriebene Fahrzeugzukunft zu überdenken. Länder wie Norwegen denken und
arbeiten bereits heute an einer Zukunft ohne fossile Brennstoffe, wie das HyNor
Projekt beweist.
Johannes Wiesinger, 31.05.2010
Quelle Bilder: eigene Bilder, 1 Bild von Motec,
1 Bild FH/Ommen
Links:
Lesen Sie auch die Berichte von H.-D. Zeuschner:
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